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Freundschaft in Kapstadt - Dorrit liest: Die Frau nebenan von Yewande Omotoso

5. Juli 2022
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Die beiden verwitweten Nachbarinnen in einem wohlhabenden Viertel von Kapstadt machen aus ihrer gegenseitigen Abneigung keinen Hehl. Marion kann Hortensia nicht ausstehen, weil diese in dem Haus lebt, in dem sie selbst gern wohnen würde. Außerdem bringt Hortensia Unruhe in die ansonsten beschaulichen Eigentümerversammlungen, in denen sich die anderen Frauen meist einig sind. So auch, als eine schwarze Familie um die nachträgliche Bestattung ihrer Großmutter auf dem Land von Hortensia bittet. Denn dort wurden auch ihre als Babys gestorbenen Kinder beerdigt, als das Land der Familie gehörte. Bevor die Gesetze der Weißen es ihnen wegnahmen. Natürlich müssen wir das Ansinnen zurückweisen, findet Marion. Keinesfalls, entgegnet Hortensia.


Marion ist weiß, Hortensia schwarz. Schon deshalb kann Hortensia Marion niemals zustimmen. Kann niemals auf derselben Seite stehen wie Marion und reibt ihr das immer wieder genüsslich unter die Nase. Wie auch die Tatsache, dass Südafrika neuerdings von einem schwarzen Präsidenten regiert wird. Hortensia genießt die Irritation, die dieser Fakt noch immer in die Gesichter der Frauen zeichnet.


Dies alles bildet den Hintergrund des Romans, der von einer langsamen Annäherung erzählt.


Im Buch ist es nämlich wie im wahren Leben: Die beiden Frauen sind aufeinander angewiesen und hassen einander dafür zunächst noch mehr. Die rasanten und pointierten Dialoge zwischen ihnen sind für den Leser ein großes Vergnügen. Doch ganz allmählich, widerstrebend und sehr vorsichtig, finden die beiden Frauen zu einem Umgang, der an Freundschaft grenzt. Auch wenn die beiden alten, schrulligen Frauen das wohl nicht so nennen würden.  


Auch wenn die Geschichte nach dem Ende der Apartheit spielt, zeigen sich die Nachwirkungen dieser Grausamkeit noch immer in allen Bereichen des Lebens. Strukturen, die das Land jahrzehntelang in Unterdrücker und Unterdrückte aufteilte, lassen sich nicht in wenigen Jahren abschaffen. Es wird – das zeigt der Blick in das heutige Südafrika – Generationen brauchen.


So viel Zeit haben Hortensia und Marion nicht. Doch ihre Verständigung mag ein kleiner Baustein für Versöhnung und Fortschritt in Südafrika sein.


„Die Frau nebenan“ von Yewande Omotoso erschien 2018 bei List-Ullstein, übersetzt wurde es von Susanne Hornfeck.  

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